Nur für heute

 

Nur für heute, sehe ich die Nacht mit hellen Augen.

Die Nacht, mit ihren ausgefransten Rändern. Nur für heute sehe ich, wie sie ruht. Einem Garten im Mondschein gleich, in dem das Unkraut gejätet und der Boden fruchtbar ist. Ein Garten, der ohne Angst wartet auf den Tag.

Nur heute taste ich mich entlang an den Fransen meiner Seelennacht. Nehme Balsam, den ich teuer bezahlt und schwer in meinem Rucksack mitschleppte.

Nur heute berühre ich die wunden Ränder mit Fingerkuppen, die kaum mehr fühlen wollten, taste mich vor in die dunkle Mitte.

Taste mich zu des Mondes strahlendem Urteil, einem kalten Lächeln.

 

Den Blick in die Weite gerichtet  betrachte ich glühende Stecknadelköpfe.

Standpunkte im Schwarz. Standpunkte, mit spitzen Enden, unter Schmerzen festgemacht in der Weite meiner Möglichkeiten.

Nur heute, während Balsam an meinen Fingern Risse und Lebensadern zusammenhält, zusammenheilt, nur heute schaue ich hinauf. Übe einen Blick, der mehr Mut verlangt als ich gestern hatte. Nur für heute halte ich stand, nehme den Mut in beide Hände, schleudere ihn taubengleich der Nacht entgegen.

Nur für heute sehe ich ihm nach, wie er nach kurzem Taumeln ins Morgen gleitet. Er wächst hinaus ins Licht, wächst hinaus, über ausgefranste Seelenränder.

Nur für heute.